Vom Kutschkermarkt zum Resselpark

ca. 2h 0m
6.5 km
Kutschkermarkt
Resselpark
Termin eintragen

An einem freundlichen, aber frischen Märznachmittag ist Guntram Münster dieser wunderschöne Spaziergang passiert. Wer gerne schlendert, so wie er, braucht für die etwa sechseinhalb Kilometer von Währing bis Wieden etwa zwei Stunden. Wer dazu auch noch gerne mal im Kaffeehaus, oder Beisel sitzen bleibt, so wie er der kommt erst in der Dämmerung heim.
Der Spaziergang ist aus seiner Sicht beschrieben.

Karte

Aktivieren

Kutschkergasse - Kutschkermarkt - St. Laurenz

Ich beginne bei der Haltestelle Kutschkergasse wo sowohl der 40er, als auch der 41er halten. Es ist sicher eine der angenehmeren Stationen von Wien, wo mensch gerne mal verweilt um auf die nächste Bim zu warten. Aber ich bin ja zum Flanieren hier und darum starte ich meinen, ca. zweistündigen, Spaziergang doch gleich mal mit einem Kaffeetscherl am Kutschkermarkt. Neben dem Brunnenmarkt ist das wohl einer der schönsten Märkte in unserer Stadt. Klein aber fein. In entspannter, fast dörflicher, Atmosphäre kann hier unter der Woche gemütlich und in bester Qualität eingekauft werden.
Das Leben ist "himmelblau".

Die Glocken von St.Laurenz mahnen mich dann doch zum Aufbruch und ich schlendere die Währinger Straße hinab. Feinster Zwirn und aufregendes für Darunter wechseln sich mit Juwelieren und Parfümerien ab. Ich bleib beim Spielwarenladen kurz stehen und drück‘ meine Nase an die Auslage.

Währinger Straße - WUK

Über den Gürtel, an der Volksoper vorbei, gehe ich weiter die Währinger Straße hinunter und muss beim WUK kurz schmunzeln: da wo früher Lokomotiven gebaut wurden kann heute jeder sein Radl reparieren. Bei der Fahrrad.Selbsthilfe.Werkstatt können Radfahrerinnen und Radfahrer Wochentags und jeden 1. und 3. Samstag selbst Hand anlegen. Aber auch für Fußgeherinnen und Fußgeher ist der malerische Innenhof einen Besuch wert. Schulen, Kunst- und Kulturvereine, Umweltorganisationen, Soziale Jugendarbeit haben sich hier angesiedelt. Ein aktiver und offener Raum für neue Ideen und alternative Lebenskonzepte, der uns alle zum Mitreden und Mitgestalten einlädt. Im legendären Wuk-Beisel sitze ich bei einem Seidl und stell mir vor ich wäre dabei gewesen als die Wiener*innen in den 80ern um ein Dach für ihr Kommunikations- und Kulturzentrum gekämpft haben. Nach dem Auszug des TGM war dieser Ort dem Verfall preisgegeben. Gemeindebauten und eine riesige Tiefgarage waren geplant. Ein Happy End, wie ich finde.

Arne-Carlson-Park - Sensengasse - Narrenturm

Am Arne-Carlson-Park komme ich nicht vorbei - ich muss hinein. Wer ebenfalls ein Baumliebhaber ist sollte es mir gleich tun. Ich liebe große Platanen und hoffe doch die Wiener Linien tun das auch. So sehr ich mich über die geplante U5-Station, die hier bald gebaut wird, freue, so sehr wünsch ich mir auch, dass der Baumbestand hier bestehen darf. Der große Spielplatz mit Rodelhügel lässt Kinderherzen höher schlagen. Gleich dahinter biege ich nach links ein und komme in die Sensengasse.

Sofort wird klar: ich bin bei den Medizinern gelandet. Jetzt bekomme ich Zahnweh. Schnell weiter. Wer Lust auf Embryo im Glas hat, kann nach dem Stadtwäldchen gleich nochmal links über zwei nette Serpentinen die Rampe hinauf über den Viktor-Frankl-Weg zum Pathologischen Sammlung im Narrenturm abbiegen. Für mich ist das nichts und ich setze meinen Weg über die Spitalgasse fort. Da ich es lieber ruhig und autofrei mag, biege ich dann doch noch links ins Alte AKH ein.

Altes AKH

Ein QR-Code vor der vor Küche der Stiegl-Ambulanz verrät mir, dass da, wo die heute ihr Schnitzel panieren, im zweiten Weltkrieg bombensicher operiert wurde. Die“ Achse der Erinnerung“ nennt sich der Pfad mit den kleinen Schildern und ist über das ganze AKH-Gelände verteilt. Wer ein schlaues Telefon hat, lernt hier so einiges über diesen geschichtsträchtigen Ort, den ich über das Sonnenfelstor verlasse.

Engelecke - Lange Gasse - Lerchenfelderstraße

Die Engelecke, Ecke Lange Gasse, gab’s schon vor dem Krieg und ich bekomm’ die notwendigen Kalorien um meinen Weg fortzusetzen. Und wer sich nach so viel Süßkram schwer fühlt, dem lege ich einen Besuch im „Schwerelos“ ans Herz. In Wiens größtem Floating-Institut kann mensch für eine Stunde in absoluter Schwerelosigkeit (Solebad) und Stille allein, oder doch als Paar, ganz bei sich sein.

Die Lange Gasse hat ihren Namen doppelt verdient: Sie ist nicht nur lang - no na - sondern auch sehr schmal. Ich nehme darum den luftigen Schönbornpark und ein Stückerl weiter freu ich mich schon, dass der Umbau ab der Josefstädterstrasse bis zur Zeltgasse ab Juni 2018 ein Flanierparadies aus ihr macht. Die Lange Gasse wird zur Begegenunsgasse. Ab Juni fahren und gehen hier alle Verkehrsteillnehmer*innen auf Augenhöhe. So gut kanns gehen, wenn die Bewohner*innen mitreden dürfen bei der Städteplanung.

An der Lerchenfelderstrasse geht´s nach rechts und gleich wieder links rein in die Kellermanngasse. Ein Gebäude sticht hier gleich ins Auge. Architekt Harry Glück, bekannt durch Alt Erlaa, war ein Wiener Pionier des sozialen Wohnbaus. In den 70ern entwarf er die Kellermanngasse 6 und dachte dabei an junge Paare, die sich ihr erstes Eigenheim leisten wollten. Sein Markenzeichen: „Wohnen wie die Reichen, auch für Arme“ spiegelt sich in den kleinen Pflanztrögen wieder, die jedem sein eigenes kleines Garterl sind. Ein privater Rückzugsraum sowie gemeinschaftsbildende Hobby- und Sporträume waren das Credo des sozialen Wohnbaus der 80er.

Lieber Augustin - Ulrichsplatz - Stiftgasse

Der liebe Augustin empfängt mich am Ende der Gasse. Der Augustinplatz ist schon schön, aber gleich kommt’s noch besser: Der Ulrichsplatz katapultiert mich zurück ins Biedermeier. Wunderschönes, autofreies Platzerl und von Erich bis Ulrich lauter nette Lokale zum gut Essen. Ich bin im Himmel und darf kurz verweilen.

Über die Burggasse geht´s in die Stiftgasse. Hier sind die Kunsthandwerker zu Hause. Uhr-, Schmuck- und Schnickschnackmacher*innen. Lauter kleine feine Ateliers. Sooo lange ist´s ja garnichtmehr bis Weihnachten. Ich glaub ich rieche schon den Punsch vom Christkindlmarkt.

Mariahilferstraße - Gumpendorfer Straße - Schleifmühlgasse

Über die Stiftgasse erreiche ich die Mariahilferstrasse. Hier wird breit und fett geschoppt. Die Baumscheiben haben mich anfangs irritiert: wie kann mensch nur einen Baum einbettonieren? Aaaber, das Zeug heißt Terraway, kommt aus Österreich, und ist nicht nur ein stabiler Schutz für die Wurzeln, sondern auch völlig wasserdurchlässig, also eigentlich genial.

Beim Leiner biege ich ab in die Königsklostergasse, die mich zur Gumpendorfer Strasse führt. Ich umrunde das Café Sperl und mach einen weiten Bogen ums „Puff“ – wegen der Nachred‘. Ich steh auf „Vollpension“, und die erreiche ich über die Schleifmühlgasse. Dafür muss ich aber vorher noch die Girardigasse runter und Wiens namensgebenden, bei Regen reißenden Fluss überqueren. Die „Wien“ sieht zwar hier keiner, aber der Naschmarkt liegt sprichwörtlich auf einer Wasserader und ich bereits befinde mich quasi in dritten Begegnunszone auf meinem Spaziergang. Die beiden Orientierungsstelen sind Infopoints extra für uns Fußgehende.

In der Schleifmühlgasse gibt es ganz viele Kunstgallerien, also jede Menge zum Stehenbleiben und nur Schaun. Wo es Kunst gibt, ist auch Mist dabei und das meine ich durchaus positiv: Das „Garbage“ solltet ihr euch ansehen. Upcycling hat nämlich nix mit Bergaufradeln zu tun, sondern hier werden aus Müll die tollsten Designerstücke produziert. So macht Welt retten Spaß.

Wiedner Hauptstraße - Resselpark

Die letzten Meter zu meinem Ziel führen mich noch die Wiedner Hauptsrasse hinunter. Die Badnerbahn bimmelt bös, weil ich schnell rüber husch um über die Resselgasse den Resselpark zu erreichen.

So schön kann Zufußgehen in Wien sein. Ich bin glücklich, zufrieden und verschwinde im Untergrund. Mit den Öffis schaff ich es von hier in 30 Minuten zum Kutschkermarkt auf ein Kaffeetscherl.

Der Autor und "Spaziergänger" Guntram Münster:

Mein Name ist Guntram Münster und ich bin 1994 von Voralberg mit Auto zum Studieren nach Wien gekommen. Langsam und heimlich hat sich Wien in mein Herz geschlichen und ich will hier auch nie wieder weg. Auto habe ich schon lange keines mehr, und vom leidenschaftlichen Bergwanderer wurde ich zum lustvollen Spaziergeher. Diese Stadt will zu Fuß erobert werden. Es gibt noch so viele Strassen, Gassen, Eckerln und Plätze, die auf mich warten.