Gruppe am Reumannplatz

Geh-Café: Mit Frauenpower ins klima- und zukunftsfitte Favoriten

Die diesjährige Geh-Café Saison startete früher als sonst, und zwar mit einer Spezial-Ausgabe im Rahmen der ersten Wiener Frauenwoche. Hierfür führte Stadtplanerin Dr. Julia Girardi-Hoog als Guide durch Favoriten und machte mit den Teilnehmer:innen eine kleine Zeitreise durch die „viertgrößte Stadt“ Österreichs.

Der inhaltliche Schwerpunkt lag, passend zur Wiener Frauenwoche, auf gendergerechter Stadtplanung (auch „Gender Planning“ genannt). Dabei wird bei der Stadtplanung auf die individuellen Bedürfnisse aller Geschlechter Rücksicht genommen. In Wien ist es mittlerweile Teil der offiziellen Verkehrs- und Stadtplanung. „Favoriten hat sich sehr gewandelt, von einem Arbeiterbezirk zu einem jungen, aufstrebenden Bezirk“ – mit diesem Satz zur Entwicklung von Favoriten startete Dr. Julia Girardi-Hoog am Reumannplatz in das erste Geh-Café des Jahres, das am 6. März durch den zehnten Bezirk führte.

Julia Giradi-Hoog vor der Geh-Café Gruppe

Dr. Julia Girardi-Hoog erklärte einiges zur gendergerechten Stadtplanung am Beispiel Favoriten. (c) Mobilitätsagentur Wien/Christian Fürthner

Europäische Sensation

Vor dem Amalienbad, das vor rund 100 Jahren gebaut wurde, begann die Reise von Julia Girardi-Hoog mit den Besucher:innen des Geh-Cafés in die Vergangenheit. Denn das Amalienbad galt bei seiner Eröffnung in den 1920er Jahren als europäische Sensation und zählte zu einem der größten Bäder des Kontinents. Neben der großen Schwimmhalle gab es Heilbäder, eine Sauna und ein Tröpferlbad. Es wurde vor allem für die Arbeiterschicht gebaut, damit sie sich einerseits nach der Arbeit noch bewegen konnten, andererseits hatten zu dieser Zeit viele Wohnungen kein fließendes Wasser oder ein eigenes Bad. Benannt ist das Bad nach der ersten Favoritner Gemeinderätin, Amalie Pölzer (1871-1924). Sie gründete 1901 den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen und galt als „Bezirksmutter von Favoriten“.

Vor der Reumädchenbühne wurde den Besucher:innen der Umgestaltungsprozess des Reumannplatzes erläutert. (c) Mobilitätsagentur Wien/Christian Fürthner

Behutsame Umgestaltung

Durch die Verlängerung der U-Bahn-Linie U1 im Jahr 2016 war die Straßenbahnlinie 67 nicht mehr notwendig. Im Zuge dessen wurde der Reumannplatz, benannt nach Wiens erstem sozialdemokratischem Bürgermeister Jakob Reumann, behutsam umgestaltet. Für die Umgestaltung wurde eine Sozialraumanalyse durchgeführt, bei der die Bedürfnisse der Bewohner:innen eruiert wurden. „Dabei wurden speziell Frauen und Mädchen befragt, was sie sich wünschten“, erklärt Julia Girardi-Hoog und ergänzt: „Eine Lehrerin meinte, man brauche hier eine Mädchenbühne und diese wurde dann auch gebaut und wird regelmäßig bespielt.“ Des Weiteren wurden viele Beschattungen, Wasserelemente wie Trinkbrunnen und Nebelstelen, sowie Sitzgelegenheiten installiert. Auf dem Reumannplatz fällt einem neben der Mädchenbühne aktuell auch die Statue des „schlafenden Pferdes“ sofort auf. Hierbei handelt es sich um ein Anti-Heldendenkmal. „Denkmäler sind meistens nur Männern gewidmet, diese temporäre Kunstinstallation soll das thematisieren“, gibt Stadtplanerin Julia-Girardi-Hoog Aufschluss über die Idee dahinter. Das aus Bronze gegossene Kunstwerk soll das friedliche Miteinander im öffentlichen Raum stilisieren.

Foto vom Kunstwerk schlafendes Pferd am Reumannplatz

Ein Hingucker auf Zeit im öffentlichen Raum: Das schlafende Pferd am Reumannplatz. (c) Mobilitätsagentur Wien/Christian Fürthner

Grüne Oasen in Entwicklungsgebieten

Der öffentliche Raum wird im Zuge des Klimawandels neu verhandelt. Die Stadt Wien setzt das mit den gesteckten Klimazielen in Stadtentwicklungsprojekten um und legt den Fokus dabei auf mehr Platz für Parks und Grünflächen. So werden bei neuen Stadtentwicklungsgebieten, wie beispielsweise dem Sonnwendviertel auf dem ehemaligen Gelände des Südbahnhofs, bewusst „grüne Oasen“ geschaffen, im Fall des Sonnwendviertels der Helmut-Zilk-Park.

Am Viktor-Adler-Platz erklärt Julia-Girardi-Hoog, dass innerstädtisch, wo es keine Parks gibt, mit unterschiedlichen Maßnahmen der Hitze entgegengewirkt wird. „Auf der Hitzekarte Wien erkennt man, dass beispielsweise der Viktor-Adler-Platz ein Hitze-Hotspot ist.“ Mit Nebelstelen, Begrünungsmaßnahmen und Wasserspielen wird versucht, Orte wie diese „abzukühlen“. „Denn gerade wo Wasser ist, tummeln sich an warmen Tagen sehr viele Menschen, ganz speziell Kinder“, ergänzt sie. Für junge Menschen und deren Ausbildung hat sich auch Hertha Firnberg, Österreichs erste Wissenschaftsministerin, eingesetzt. Sie lebte unter anderem in Favoriten und war auch am Universitätsorganisationsgesetz beteiligt, wie die Teilnehmer:innen erfahren.

Mehr Straßen und Plätze nach Frauen benannt

Vor dem „Columbus-Ei“ war Endstation beim ersten Geh-Café 2024. (c) Mobilitätsagentur Wien/Christian Fürthner

Am Columbusplatz angekommen zeigt Julia Girardi-Hoog Richtung Stadtentwicklungsgebiet „Neues Landgut“, wo einst Werkstätten der ÖBB waren. Hier werden bis 2026 rund 1.500 neue Wohnungen errichtet. Der Bildungscampus wurde bereits vorzeitig in Betrieb genommen, der Wohnbau wird sukzessive nachgezogen. Zwei Gassen, ein Platz sowie eine Promenade sind dort nach Frauen benannt, und das bewusst. „In Wien sind die meisten Straßen und Plätze nach Männern benannt“, erzählt Julia Girardi-Hoog und fügt hinzu, dass in Neubaugebieten aktiv versucht wird, dieser Ungleichheit entgegenzuwirken. Denn auch die Benennung öffentlicher Straßen und Plätze ist ein zentrales Element für eine geschlechtergerechte Repräsentation von Frauen im öffentlichen Raum. Zum Abschluss gab es für alle eine kleine, lokale Jause. Dieses Mal waren es Krapfen von der in Favoriten ansässigen Bäckerei Groissböck. Diese hat ihren Firmensitz in der Neilreichgasse, benannt nach einem Mann.

Das nächste Geh-Café findet am 18. April 2024 statt und führt durch den 7. und 8. Bezirk

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