Komm, wir gehen was erleben

Kleinkinder wissen es, Reisende wissen es, und William Shakespeare wusste es bereits: Das Zu-Fuß-Gehen verbindet uns mit der Welt. Viele Städte wünschen sich heute belebte, attraktive Straßenräume – und setzen dabei auf den Fußverkehr.

Sensation auf zwei Beinen

Mit unglaublicher Anstrengung, unendlich vielen Rückschlägen und eisernem Durchhaltewillen haben wir es erlernt: das Gehen auf zwei Beinen. Bei unseren ersten selbständigen Schritten haben wir vor Begeisterung gejubelt, und mit uns die ganze Familie. Das Ereignis wurde für Freunde und Nachwelt festgehalten. Aber wer kann sich schon an die größte Sensation der ersten zwei Lebensjahre erinnern?
Sagen wir, es ist gut, dass es im Leben noch andere Leidenschaften gibt als einen Fuß vor den anderen zu setzen. Aber ganz egal, was wir erleben möchten – Freunde treffen, Karriere machen oder den Großglockner besteigen – es wird immer damit beginnen, irgendwohin zu gehen.

Vergessene Qualität

Wir leben im Zeitalter der Städte – mehr als die Hälfte der Menschen leben derzeit in urbanen Räumen. Sie wollen in Städten nicht nur wohnen, arbeiten und ihre Kinder zur Schule schicken, sondern sich auch erholen, soziale Kontakte pflegen und das Leben genießen. Der öffentliche Raum spielt dabei eine wichtige Rolle. Denn Straßen sind nicht nur Transit- sondern vor allem Lebensraum der Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt. Bereits in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts zeigte Donald Appleyard auf, dass in Straßen umso mehr nachbarschaftliche Beziehungen bestehen, je weniger und langsamer dort gefahren wird. Der dänische Stadtplaner Jan Gehl berät weltweit Städte und empfiehlt, sich wieder verstärkt am „Menschlichen Maß“ zu orientieren. Er stellte fest, dass zu Fuß gehende Kinder und alte Menschen der beste Indikator für die Aufenthaltsqualität öffentlicher Räume sind. Denn sie verschwinden als erste von der Straße, wenn es dort gefährlich und ungemütlich zugeht.
Wo viel zu Fuß gegangen wird, stimmt meist auch die Lebensqualität. Auf diesen Zusammenhang stieß der Initiator der internationalen Konferenzreihe walk21, Jim Walker (ja, er heißt wirklich so): Die laut Mercer lebenswertesten Städte der Welt sind auch jene, die gute Bedingungen für den Fußverkehr bieten.

Mehr als ein Verkehrsmittel

Warum sich mit dem Zu-Fuß-Gehen beschäftigen, obwohl es ohnehin jeder tut? Diese Frage wird mir als als Fußverkehrs-Beauftragter häufig gestellt. Die Antwort ist einfach. Weil das Zu-Fuß-Gehen die Basis jedes Verkehrssystems, und wie kein anderes am Menschen orientiert ist.
Thimothy Papandreou, stellvertretender Leiter der Transportation Agency San Francisco, hält das Zu-Fuß-Gehen sogar für die wichtigste Fortbewegungsart in der Stadt. Nicht nur, weil es den verbindenden „Kitt“ zwischen den anderen Verkehrsmitteln darstellt, sondern weil Maßnahmen für den Fußverkehr allen Menschen zugute kommen, unabhängig von Einkommen, Alter oder körperlicher Verfassung. Mit „Transport Department for people“ beschreibt er den Fokus seines Unternehmens, das statt der Beschäftigung mit einzelnen Transportmitteln die Bedürfnisse der Menschen voranstellt.
Und die Bedürfnisse ändern sich mit der Zeit. Noch nie war es so wenig notwendig, sich aus der eigenen Wohnung zu bewegen – lassen sich doch Einkaufen, Arbeit, Bildung, und Unterhaltung häufig bequem von zu Hause aus erledigen. Und dennoch zieht es Menschen hinaus auf die Straße. Besonders auf solche Straßen, wo das Leben pulsiert, die begrünt sind, auf denen es sich gut flanieren lässt. Weil in der Bewegung, in der Begegnung mit Menschen die Stadt erlebt wird. Oder nach den Worten von William Shakespeare:

„What is a city but the people?“

Jim Walker und Timothy Papandreou sind Gäste der internationalen FußgängerInnen-Konfernz walk21, die vom 20. bis 23. Oktober in Wien stattfindet. walk21.vienna.com

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