Geh-Café: Es lebe der Zentralfriedhof
Mit über 190 Personen haben wir bei traumhaftem Herbstwetter die größte Stadt innerhalb der Stadt Wien besucht. 3 Millionen Menschen sind am Zentralfriedhof in Wien Simmering bestattet. Der Zentralfriedhof ist mit 2,5 km² der zweitgrößte Friedhof Europas und schaut auf eine bewegte Geschichte zurück.
Nach einer Begrüßung der Wiener Senior:innen-Beauftragten Sabine Hofer-Gruber, hat uns Schorsch Brockmeyer von der Mobilitätsagentur spannende Einblicke in die Geschichte und die verschiedenen räumlichen Abteilungen des Friedhofes gegeben. Er hat uns vom Friedhof als Ort der Innovation berichtet und über den Wiener Humor im Umgang mit dem Tod.

Schorsch Brockmeyer (Mitte) und Sabine Hofer-Gruber (rechts) freuten sich über die Rekord-Teilnehmer:innenanzahl beim letzten Geh-Café des Jahres. (c) Mobilitätsagentur Wien/Teresa Wagenhofer
Der Tod in Ehren
Bevor am Zentralfriedhof am 1. Nov. 1874 die erste Bestattung stattfand, gab es in Wien fünf kommunale Friedhöfe. Diese waren allerdings irgendwann überfüllt und eine Lösung musste gefunden werden. Nach einem Gutachten wurde Kaiserebersdorf, wegen dem Lössboden, als idealer Standort ausgewählt. Lössboden ist leicht zum Aufgraben und unterstützt den Verwesungsprozess im Untergrund. Auch damals war schon klar, dass der Friedhof ein interkonfessioneller Ort sein soll, und so entstanden im heutigen Simmering unterschiedliche konfessionelle Abteilungen.
Die größte Abteilung ist die israelitische, die neueste die islamische Abteilung. Wir haben uns auch die buddhistische Abteilung mit einem beeindruckenden weißen Stupa angeschaut, welche am Vesakhtag 2549 am 23. Mai 2005 eingeweiht wurde.

Der Stupa am Zentralfriedhof war ein beliebtes Fotomotiv beim Geh-Café in Simmering. (c) Mobilitätsagentur Wien/Teresa Wagenhofer
Die Wiener:innen wollten schon immer auch einen ansehnlichen Friedhof. Aus dieser Motivation heraus sind die Ehrengräber entstanden. Schorsch Brockmeyer berichtete, dass Prominente wie Beethoven und Schubert in Ehrengräber am Zentralfriedhof umgebettet wurden, damit die Wiener:innen nicht extra auf den Tod eines Prominenten warten mussten, bis dieser Ort der letzten Ruhe in ihren Augen prestigeträchtiger wurde.
In den darauffolgenden Jahren wurde viele Männer in Ehrengräbern beigesetzt – Künstler Schriftsteller, Wissenschaftler – bspw. Johann Hölzel (Falco) oder Udo Jürgens. In der Zwischenzeit wurden auch Frauen wie Margarete Schütte-Lihotzky oder zuletzt Barbara Prammer in Ehrengräbern bestattet.
Größter Jüdischer Friedhof in Wien
Der Spaziergang führte uns zur israelitischen Abteilung, welche nicht nur die erste, sondern auch die größte konfessionelle Abteilung am Zentralfriedhof ist. Die im Jahr 1879 eröffnete Abteilung bei Tor 1, wo unter anderem Arthur Schnitzler, Friedrich Torberg, Gerhard Bronner und Viktor Frankl beerdigt sind, war bereits 1916 ausgelastet und so ist am östlichen Ende des Areals die neue israelitische Abteilung entstanden. Im zweiten Weltkrieg wurden durch fehlgeleitete Fliegerbomben rund 3.000 jüdische Gräber zerstört und in den darauffolgenden Jahren verwilderten die Gräber zusehends. Heute nimmt sich der unabhängige Verein „Schalom“ der Restaurierung der beschädigten Gräber an und leistet regelmäßig Instandhaltungsarbeiten.
Innovativ bis in den Tod
Innovativ waren die Wiener:innen wohl immer schon. Um die Toten zur ihrer letzten Ruhestätte zu bringen, gab es Pferdewägen, aber auch Ideen wie die Wiener Dampfstadtbahn als Friedhofslinie oder ein pneumatischer Transport, ähnlich wie die Rohrpost, wurden angedacht. 1918 fuhr dann bereits die Straßenbahn Linie 71, die sogenannte „Leichenbim“. „Sie hat den 71er genommen“, ein Ausdruck, der vermittelt, dass die Dame verstorben ist, ist heute aber wohl nur mehr wenigen Wiener:innen bekannt. Die „Leichenbim“ hatte eine Kapazität von 12 Särgen und fuhr aus Pietätsgründen nachts. Seit 1925 sind zwar geschlossene Kastenwägen unterwegs, aber noch bis in die 1980er Jahre waren im 71er Vorrichtungen für das Aufhängen von Blumenkränzen zu sehen.
Der Vatikan erteilte erst 1964 Wien die Erlaubnis Feuerbestattungen durchzuführen. Innovativ ist die Bestattung aber bis heute. Es gibt Naturbestattungen und es ist möglich in einem Mycel-Sarg (Sarg aus Pilzen) beigesetzt zu werden.

Bei traumhaftem Herbstwetter wurde durch den zweitgrößten Friedhof Europas spaziert. (c) Mobilitätsagentur Wien/Teresa Wagenhofer
Wien stirbt anders
Die Wiener:innen haben vielleicht Dank Sigmund Freud einen morbiden Humor und dieser macht auch nicht vor dem Tod halt. Im Bestattungsmuseum können Begräbnis-Lego-Bausätze zur Trauerbewältigung und viele Accessoires mit Sprüchen wie „Ich turne bis zur Urne“, „Ich lese bis ich verwese“ oder „Als Leich ist jeder gleich“ erstanden werden.
Der Ausdruck „A scheene Leich“ ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgekommen, da wohlhabende Bürger:innen den Adeligen nacheifern wollten und prunkvolle Trauerfeiern ausgerichtet haben. Das Begräbnis von Otto von Habsburg war wohl der letzte wirklich prunkvolle Leichenzug, den Wien erlebt hat.
Beim Ende unseres Spazierganges durch das Areal der Toten hat Schorsch Brockmeyer noch über den irischen Ursprung von Halloween erzählt, den diese als Einwanderer mit in die USA genommen haben. Der Spaziergang endet bei Tor 11 mit Kaffee, Tee, einer Jause sowie einem Konfekt des Simmeringer Traditionshauses Heiner, k.u.k. Hofzuckerbäckerei.
Das war das letzte Geh-Café des Jahres, nun geht es in die Winterpause. Im März 2026 geht es dann wieder los!
Die Route als PDF zum Download