Begegnungszone

Die Mitglieder des Vereins FOPA Kassel (Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen) besuchten im Zuge ihrer jährlichen Fachexkursion Mitte September Wien. Ein Highlight ihres Besuchs war ein Spaziergang durch die Stadt mit Maria Grundner, Expertin für Barrierefreiheit der Mobilitätsagentur Wien.

Maria Grundner mit einigen Frauen vom Verein FOPA

Maria Grundner (ganz rechts), Expertin für Barrierefreiheit der Mobilitätsagentur Wien, führte die Frauen von FOPA durch Wien. © Maria Grundner

Wie genderfreundlich kann Stadtplanung sein? Mit dieser und weiteren Fragen beschäftigen sich die Mitglieder von FOPA. Ziel des Vereins ist es, Frauen in der Planung und ihren Blickwinkel auf Stadt als Lebensraum, auf öffentliche Räume und auf den Alltag des Wohnens mehr Stimme zu geben. Am 14. September 2023 konnten sich rund 25 Vereinsmitglieder vom „Gender Mainstreaming in der Stadtplanung und Stadtentwicklung“ der Stadt Wien selbst ein Bild machen. Vormittags gab es Vorträge und Einblicke der Magistratsabteilung 18 (Stadtplanung und Stadtentwicklung) zur Smart City, genderspezifischen Themen sowie dem neuen Supergrätzl in Favoriten. Und am Nachmittag wurde ein Stadtspaziergang mit Maria Grundner unternommen.

Berollbare Pflasterungen und Begegnungszonen

Ausgang des gemeinsamen Spaziergangs war die Rathaustraße, über den Rathauspark gelangte die Gruppe in die Innere Stadt. Am Minoritenplatz demonstrierte Maria Grundner den deutschen Besucherinnen die barrierefreie Pflasterung, die auf Initiative der Mobilitätsagentur Wien umgesetzt wurde. Zusammen mit der MA28 und der Universität für Bodenkultur forschte sie an einem innovativen Projekt, das die unterschiedlichen Pflasterflächen auf ihre Berollbarkeit mit Rollstühlen und Rollatoren untersuchte und bewertete. Danach führte der Weg der Gruppe zur Herrengasse, wo das nächste spannende Thema in der Stadtplanung wartete: die Begegnungszone. „Die Frauen von FOPA waren fasziniert, da es in Deutschland keine Begegnungszone in der Straßenverkehrsordnung gibt“, erklärt Maria Grundner. „Dort kommt man nur über Umwege zu solch einer Zone, man muss kreativ sein, zum Beispiel mit Zusatztafeln.“ Was den Gästen aus Deutschland jedoch sofort aufgefallen ist, war die Ausnahmeregelung für Taxis in der Herrengasse.

Frau fährt mit Lastenrad in eine Begegnungszone

Die Herrengasse bietet als Begegnungszone Platz für alle Verkehrsteilnehmer:innen. © Mobilitätsagentur Wien

Umgestaltung für bessere Barrierefreiheit

Über das Michaelertor ging die Reise durch Wien weiter zum Heldenplatz und anschließend zum Museumsquartier. Dort wurden die Enzis von den Gästen aus Deutschland bewundert. Die vielseitig verwendbaren Hofmöbel könnten gut in der Gestaltung von verkehrsberuhigten Orten, wie beispielsweise Fußgängerzonen, Eingang finden, war sich die Gruppe von Planerinnen und Architektinnen einig. Auf der angrenzenden Mariahilfer Straße teilte Maria Grundner ihre Erfahrungen in Bezug auf Barrierefreiheit in der Stadtplanung mit. „Durch die Neugestaltung der Mariahilfer Straße haben speziell Rollstuhlfahrer:innen nun um einiges mehr Platz.“ Entlang der größten Einkaufsstraße der Stadt ging es bis zum Esterhazy-Park, wo sich auch das Haus des Meeres befindet.

„Dort hat man bei der Pflasterung auf die Frequentierung geachtet“, erklärt Maria Grundner die Hintergründe der unterschiedlichen Abstände der Steine. Wo wenige Fußgänger:innen unterwegs sind, wurden die Pflastersteine bewusst mit mehr Abstand verlegt, damit aus den Fugen der Steine Pflanzen rauswachsen können. Im Gegensatz dazu wurden die Steine bei stärker frequentierten Abschnitten enger aneinandergereiht, um ein berollbares Pflaster zu ermöglichen.“ Hier wurde bei der Planung und Umsetzung bewusst auf eine Begrünung der Bodenflächen geachtet, was den FOPA-Mitgliedern gefiel.

Sitzmöglichkeiten auf der Wientalterrasse

Endstation des Spaziergangs war die Wientalterrasse auf der Rechten Wienzeile. © MA19/Christian Fürthner

Wiener Grätzloasen

Bevor der Weg in die Esterhazygasse führte, wurde auch die neu gestaltete Damböckgasse begutachtet. Durch neue Baumscheiben und Pflasterungen regt die Gasse nun mehr zum zu Fuß gehen an als davor. „Es hat schon einen Einfluss darauf, wie mein Grätzl gestaltet und wie ich mich dann am ehesten fortbewege“, erklärt Maria Grundner. Begeistert zeigten sich die Frauen auch von einem Parklet in der Esterhazygasse. Solche „Grätzloasen“ kannten die Gäste aus Deutschland nicht. Hier herrschte großes Interesse über Bauweise, Bepflanzung und Wartung dieser besonderen Sitz- und Verweilmöglichkeit. Sein Ende nahm der Stadtspaziergang dann bei der Wientalterrasse, bei der ein Teil einer U-Bahn-Trasse überplattet wurde und nun der Bevölkerung als konsumfreier Platz zur Verfügung steht. Viele neue Eindrücke aus der Wiener Stadtplanung sorgten für zufriedene Gesichter bei den Urbanistinnen.

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